Vorwort

Eine mediterrane Tour, durch das Herzen von Italien – so war das Motto der Tour noch auf dem Weg in die Abruzzen. Leider war das Wetter einer ganz anderen Ansicht… Sei es drum – wir hatten trotzdem unser Vergnügen. Wir erlebten viele tolle Trails, lange Schiebe- und schneebedingt Tragepassagen, kulinarische Feuerwerke, Totenstille, karstige Landschaften, eine tolle Bergwelt und einen Kuckuck. Die Etappen sind ausgewogen und nicht wirklich strapaziös.

Länge: 399,57 km
Höhe: 10.743 hm
Etappen: 7

Etappe 1

Daten:
47,87 km   8,3 km/h   5:45:51 h   53,9 km/h   2022 hm

Orte:
Isola del Gran Sasso (430) – S. Pietro (765) – Sent. Italia (1079) – Casale S. Nicola (859) – Cerchiara (685) – Nähe Cima Alta (1650) – Valle del Rio Arno – Pietracamela (1030)

Nach einer irre langen Anfahrt bis in die Abruzzen erschraken wie heftigst über das miese Wetter (es regnete) und noch viel mehr über die Schneemassen in den Bergen. Am liebsten hätten wir die Räder gleich im Auto gelassen, aber wir wollten es erst einmal versuchen.

Der nächste Morgen erwartete uns auch gleich mal mit Regen – na klasse. Glücklicherweise hörte er aber während der Plünderungsaktion im Supermarkt auf. Also schnell rauf auf die Straße nach S. Pietro. Kurze Zwischendusche und weiter. Recht muskulaturfreundlich spult man so auf einer recht breiten, dafür aber total einsamen Straße den Berg hinauf. Oben wechselte der Untergrund erst zu Schotter und bald zu einem Pfad. Hier wurde es orientierungstechnisch schon etwas zwickelig. Dank neuester Höchsttechnologie stellte das aber zum Glück keine unüberwindbare Hürde dar.

Auf der Sent. Italia wurde es auf einmal topfeben – hier fährt man scheinbar auf einem Wasserkanal o.ä. durch den Wald. Kurze schnelle Abfahrt bis nach S. Nicola – nichts zu Essen zu holen, weiter. In Fano a Corno ebenfalls Fehlanzeige, weiter. In Cerchiara gabs dann eine Bar, hinsetzen. Bei gemütlichen Capuccino, selbstgemachten Kuchen und Schnittchen mussten wir eigentlich nur das permanente Gequassel des Wirtes versuchen zu ertragen. Alle seine Warnungen vor dem Wetter schlugen wir in den Wind und so ging es ab Richtung Berg.

Die ersten Kilometer waren schon extrasteil – teilweise war’s fahrbar. Just in dem Augenblick kam sogar mal die Sonne raus. Und wenn sie schon einmal raus kommt, dann mit voller Macht. Also Poren auf und hoch. Später wurde der Weg zu einem Pfad der teilweise recht gut fahrbar war. Kurz nach dem Rifugio (war zu) del Fontanino fing es dann doch noch an zu regnen. So kämpften wir uns die letzten Höhenmeter hinauf zum Kamm und schon ging es hinab in ein winziges Skigebiet. Elendig kalter Sturm schlug uns dabei ins Gesicht. Zum Glück war in dem Skiareal noch eine Bar geöffnet und so gab es zum Himmelfahrtstag noch ein Bierchen.

Auf dem Plan stand nun noch ein kleiner Schlenker ins Arno-Tal. Nach einer kurzen Schiebestrecke bot sich uns ein wunderbarer Sahnetrail. So fährt man durch herrliche Steinlandschaften bis nach Pietracamela. Quartier aufreißen und als das gesichert war, schnell noch eine paar Höhenmeter zu einem Aussichtspunkt hinauf spulen. Es war ein herrlicher Anblick. Dann noch ein kurzer Abstecher durch die verwinkelten Gassen, mit den teilweise arg provisorischen Stützkonstruktionen für die Häuser. Hier war es richtig niedlich und gemütlich.

die ersten Meter am Gran Sasso Massiv
die ersten Meter am Gran Sasso Massiv
Blümchentrail
Blümchentrail

Etappe 2

Daten:
47,95 km   8,2 km/h   5:48:54 h   60,9 km/h   1745 hm

Orte:
Pietracamela (1030) – Prali di Tivo (1450) – la Portella (2260) – Campo Imperatore (2100) – Sella di Monte Cristo (1760) – M. Mesola – Frenda – Castel de Monte (1330)

Ein morgendliches Disaster zeichnete sich bezüglich des Frühstücks ab. Totenstille im gesamten Haus. Nur drei Biker außer Rand und Band. Es bewegte sich einfach nichts. Also wurde die Zeit mit Rucksack packen und dem Anlegen der stinkigen Klamotten vertrödelt. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit rührte sich dann langsam was im Haus und so ergatterten wir dann doch noch ein paar Capuccino und Zeug aus der Tüte (Henkel und BASF lassen grüßen).

Quietsch vergnügt spulten wir dann zum Skigebiet hinauf, wo uns ein Werbe-Panini-Schild zum Verweilen einlud. Leider dauerte das Auflegen von ein paar Scheiben Käse auf ein paar Weißbrotschnitten sage und schreibe eine halbe Stunde. Dann ging es wieder mit dem Rad voran. Anfangs noch gut fahrbar, musste man dann doch fast durchgehend schieben. Ein kleines Zwischenhindernis in Form einer abgegangenen Lawine musste überquert werden und auch das ein oder andere Schneefeld ließ nicht lange auf sich warten.

Auf Höhe von ca. 1900 m war dann Schluss mit lustig. Es erwartete uns ein ultimatives Schneefeld. Tja, nun war guter Rat teuer. Letzten Endes hatten wir ja den Schnee bereits erwartet, aber wenn man vor so einer schieren Masse steht, denkt man doch noch einmal drüber nach. Also los! Es war anstrengend; ca. 1,5 Stunden ging es nun bergauf, nur durch tiefen Schnee. Die Laufräder blockierten ständig, die Schuhe wurden nach und nach nass und als Sahnehäupchen gab es Graupel- und Regenschauer im Wechsel.

Wir kämpften uns Meter für Meter vorwärts. Recht erschöpft erreichten wir dann doch noch die Kante zum Pass. Glücklicherweise sah die andere Passseite einigermaßen schneefrei aus, aber so einige Felder mussten bis zum Campo Imperatore noch bezwungen werden. Eine akrobatische und in ihrer Anmut unschlagbare Rutscheinlage ließ zwischendurch sogar etwas wie Stimmung aufkommen. Glücklicherweise gab es außer einem lädierten Daumen, keine weiteren schlimmeren Schäden.

Erwartungsgemäß war am Campo Imperatore keine Feldküche aufgebaut und so stopften wir uns dort mit selbstgeschleppten Futter voll. Es folgten erst eine zähneklappernde Abfahrt und dann ein hübscher kleiner Schlenker über einsame grüne Wiesen. Allgemein war die Tour mehr als einsam; kaum Tiere trafen oder hörten wir, Menschen ja schonmal überhaupt nicht und selbst die Bäume schienen sich hier oben aus den Staub gemacht zu haben.

Später zweigten wir auf einen Schotterweg Richtung Frenda ab. Hier erwartete uns loser Schotter und noch die eine oder andere versteckte Rampe. Es war dann aber auch langsam genug. Von wegen. Während der Quartiersuche in Castel de Monte begann es natürlich noch einmal kräftig an zu regnen. Wir erwischten aber eine klasse Ferienwohnung, in der wir am Abend dann gemütlich Pasta zubereiteten und der Waschmaschine beim Weinchen trinken zusahen, wie sie unsere Drecksachen versuchte wieder hin zu bekommen.

zweifelhafte Aussicht
zweifelhafte Aussicht
die letzten Meter zum Pass
die letzten Meter zum Pass

Etappe 3

Daten:
53,67 km   12,4 km/h   4:18:15 h   49,7 km/h   1056 hm

Orte:
Castel del Monte (1330) – Costa D’Anzano – S. Stefano di Sessanio (1250) – Vallechionsola – S. Eusanio (1399) – Filetto – Paganica (660) – L’Aquila (715)

Gern hätten wir heut Morgen beim Losfahren dem Köter, der ab 5:30 Uhr unseren Schlaf lautstark begleitete, eine verpasst, aber der Sack hatte sich rechtzeitig verkrochen. Und so packten wir an diesem Morgen mit vollster Begeisterung unsere Sachen (es regnete draußen in Strömen).

Glücklicherweise zahlte sich die Bummelei aus, denn pünktlich als wir auf den Rädern saßen hörte der Regen auf. Die Suche nach dem richtigen Einstieg wurde begleitet von einer Meute von Hunden. Permanent hatte man so ein kläffendes Vieh um sich und man traute den Biestern nur ungern. Schon wenn man von weiten eine Schafsherde sah, wusste man das von irgendwo gleich wieder ein paar Biester angeschossen kommen würden. So langsam bekam man aber ein gewisses Gefühl im Umgang; wohl wurde einem aber nie so ganz.

Das Tal und der Karrenweg, der sich uns nun auftat, waren klasse. Endlich zwitscherten auch mal ein paar Vögel und es war eine herrliche Atmosphäre. Die Abfahrt nach S. Stefano war recht geröllig, spuckte uns aber direkt an einem kleinen Restaurant an einem See aus. Hier gab es frisch gemachte Nudeln – Klasse! Der Ort an sich ist der absolute Hammer. Hunderte verwinkelter Gassen, Treppen und Sträßchen luden zum Erkunden ein.

Irgendwann mußten wir dann doch leider weiter und so hatte uns beim nächsten Anstieg auch leider schon der nächste Regen wieder ein. Also rein in die Plastikpelle und weiter über mordstiefe (nass wäre definitiv untertrieben) versumpfte Wiesenwege. Auch hier konnten wir dank Pokemon-SciFi-Technology auf große Verfahrer und Kartenstudiumszeiten bei Regen und Sturm verzichten – es ging zügig voran. Kurze Schiebeeinlage bergan; komische menschliche Wiesenabsucher bestaunt; weiter verstärkenden Regen lautstark verflucht.

Die Gedanken und die Schrumpelfinger suchten nach Trockenheit und wollten schnellstmöglich in ein warmes Hotelzimmer in L’Aquila. Entsprechend zügig ging es dann bergab. Die Landschaft interessierte einen nicht, es war schade drum. Und so bibberten wir bei niedrigen Temperaturen hinab ins Tal und fanden trotz unseres fatalen Äußeren sofort ein Hotelzimmer. Die warme Dusche war herrlich. Alle Sachen wurden zum Trocknen im gesamten Zimmer verstreut. Zufällig sahen wir dann auf Eurosport noch eine Etappe des Giro. Auch die Jungs mussten den ganzen Tag im Regen fahren und sahen kein bisschen beneidenswert aus (es war die Schotterwegetappe).

Tja, leider konnten wir von dem Ort mit einer unglaublichen Geschichte nichts sehen. Noch immer wird nach dem verheerenden Erdbeben die gesamte Innenstadt abgeriegelt. Es sah auf dem Weg hierher aber auch schlimm auf den Straßen aus. Die Stadt hat definitiv einen schweren Exodus hinter sich. Das Abendessen mussten wir daher in einer Behelfsbaracke einnehmen und entsprach kein bisschen unseren Vorstellungen einer italienischen Küche.

Blick auf das idyllische Stefano di Sessanio
Blick auf das idyllische Stefano di Sessanio
L'Aquila und das Wetter
L’Aquila und das Wetter

Etappe 4

Daten:
74,97 km   15,3 km/h   5:52:17 h   47,1 km/h   1193 hm

Orte:
L’Aquila (715) – Arischia (850) – V.co delle Capannelle (1304) – Lago di Campotosto – Mascioni (1400) – Poggio Cancelli (1295) – Amatrice (955)

So, vierter Tag und wieder Regen – das kann doch wohl langsam nicht mehr wahr sein. Und so quälten wir uns wieder in unsere Regenklamotten. Beim Verlassen von L’Aquila werden einem die unglaublichen Schäden des Erdbebens nochmals deutlich gezeigt. Ganze (recht neue) Häuserpassagen sind mit langen und großen Rissen durchzogen und stehen vollständig leer – hmm.

Getrieben von Regen und den Schneeerfahrungen der letzten Tage ab ca. 1800 m, suchten wir nach einer Alternative zum Monte Lenea. Wir wählten die SS80 für einen regenmonturfreundlichen Aufstieg. Die Straße hat in der Tat einen sehr moderaten Anstieg und so ging es flott hinauf. Kurzer Zwischenstopp an einer Ausgrabungsstätte und schnell raus aus den Regensachen – es hatte doch tatsächlich wieder aufgehört zu tröpfeln.

Der Lago Campotosto sah nach dem Erreichen der Anhöhe herrlich aus. Es ward inzwischen Mittag und so versuchten wir in Mascioni eine Bar oder ähnliches aufzutreiben. Leider gab es hier nichts, aber uns wurde ein direkt am See gelegenes Agriturismo empfohlen. Dieses war urgemütlich. Massen an Essen wurde uns aufgetischt. Das Fleisch wurde uns direkt vom Kamin serviert. Der leckere Bratengeruch schien sich auch in der ganzen Umgebung vor der Tür zu verbreiten, denn während wir so aßen konnten wir draußen, nur wenige Meter im Wald von uns entfernt, Wölfe herumschleichen sehen.

Nach eineinhalb Stunden des gnadenlosen Schlemmens brachen wir auf. Bei der Befahrung der nächsten Anhöhe ergab sich noch einmal ein wahnsinns Ausblick über den See, verschärft durch die sehr tief hängenden (dunklen) Wolken. Schade das sich in dem Augenblick der Gran Sasso bzw. dessen Nachbarn nicht zeigte. Bis nach Amatrice ging es dann nur noch gemütlich bergab. Erwähnt sei hier der kurze Augenblick mit Sonnenschein, umrahmt von pechschwarzen Wolken. In dem Ort war an diesem Tag scheinbar ein Volksfest. In der Kirche war eine Monstranz zur Verehrung aufgebaut und ein paar Häuser weiter verbreitete ein Orchester gute Stimmung. Das Abendessen fiel ehern zaghaft aus – zu sehr lag uns noch das viele Mittagessen im Bauch herum.

archäologische Fachgespräche
archäologische Fachgespräche
am Lago di Campotosto
am Lago di Campotosto

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