Schon lange wollte ich mal wieder in den Westalpen radeln. Und da wir ganz spontan sehr günstige Flüge buchen konnten, ging es dann mal eben mit dem Flieger bis Turin und von da aus auf Rundtour. Alte bekannte Pässe, ewig lange Anstiege, grandioses Wetter und eine beeindruckende Bergwelt lagen vor uns. Es war eine herrliche Tour!

Länge: 330,6 km
Höhe: 11.198 hm
Etappen: 6

Etappe 1

Daten:
51,12 km   6,8 km/h   7:29:24 h   55,9 km/h   2644 hm

Orte:
Susa (490) – Novalesa (828) – Montcenisio (1461) – Grand Croix (1854) – Mont Malamot (2914) – Lac Blanc – Refuge du Petit Mont Cenis (2110)

Das Wetter am Morgen sah ehern etwas durchwachsen aus, aber immerhin besser als die dicken Wolken vom Vortag. Wenig Hoffnung auf Besserung machte auch der Gesichtsausdruck unseres Hoteliers. So versorgten wir uns erst einmal im Hotel am Frühstücksbuffet mit einigen Knabbereien und Obst und holten uns noch im Supermarkt Getränke ein. Heute am ersten Tag sollte es mit Höhenmetern gleich mal ordentlich zur Sache gehen. Bis hinauf zur Staumauer sind dabei erst einmal zirka 1600 Höhenmeter zu absolvieren. Auf ruhiger Straße passierten wir das verschlafene und idyllische Novalese. Weniger idyllisch war der permanente Hubschraubereinsatz – Baumaterialien wurden im Akkord auf den Berg geflogen und das immer genau über unseren Köpfen. Wesentlich nerviger war allerdings das Geleit von Fliegenscharen die einen fast in den Wahnsinn trieben. In Moncenisio wollten wir in einem herrlich am Lac Grande gelegenen Restaurant einkehren, aber die Küche hatte leider noch nicht geöffnet. Wenige Kilometer dahinter in Bar Cenisio hatten wir aber mehr Glück und so stärkten wir uns mit Spaghetti. Immerhin hatten wir ja erst die Hälfte der Strecke hinter uns. Etwas beschwerlicher zog der Weg ab dem Lac du Mont Cenis bergan. Tolle Ausblicke und noch immer tolles Wetter ließen die Höhenmeter aber purzeln. Ein paar hundert Höhenmeter vor Erreichen des Fort Malamot war der Weg aber dermaßen ausgewaschen und grobschottrig das wir etwas Schieben mußten. Nichtsdestotrotz war das mit 2500 Metern Höhendifferenz meine bisher höchste (fast) durchgehend gefahrene Auffahrt. Auf dem Fort angekommen wurden wir als Belohnung von den Wolken sofort verschluckt und das Thermometer zeigte gerade mal acht Grad Celsius an. Wir erkundeten noch etwas das Fort und versuchten wenigsten ab und zu etwas von der Umgebung zu sehen, aber es hatte keinen Zweck. Wir waren ganz gut im Zeitplan und so entschieden wir uns dem Wegvorschlag der Mountainbike zu folgen und über den Lac Blanc sowie den Lacs Giaset zu fahren – großer Fehler! Über einige Stunden schleppten wir unsere Räder, erst wilden Steinmännern später einem gelben Strich folgend, quer feldein. Es war zum Piepen! Selbst ein kleiner Kamin musste erklettert werden – einer reichte das Rad am Hinterrad hinauf, der andere versuchte es am Vorderrad hochzuziehen… Die bisher geleisteten Auffahrt spürten wir dabei merklich in unseren Muskeln und so wurde die ganze Angelegenheit langsam richtig nervig. Als kleines i-Tüpfelchen fing es auch noch zu tröpfeln an; na wenigstens war es nur ein lauer Landregen. So, liebe Mountainbike-Redaktion oder wer auch immer sich den Weg ausdachte (Achim Zahn?): Warum baut ihr immer wieder solchen Quark in die Tourenbeschreibungen ein? Die ganze restliche Tour war klasse ausgearbeitet, aber hier habt ihr es absolut vermasselt! Der sogenannte Alternativweg sei jedem Fahrer der Runde dringend ans Herz gelegt, außer man hat einen speziellen Fetisch für sinnloseste Tragepassagen. Nungut, wir haben es geschafft – auch wenn wir erst 20:00 Uhr im Refuge ankamen und uns sofort an den Tisch setzen mussten, wegen Küchschluß. Die Hütte ist gemütlich, das Essen super und das Lager hatten wir für uns allein.

Auffahrt zum Fort Malamot
Auffahrt zum Fort Malamot
am idyllischen Lac Blanc
am idyllischen Lac Blanc

Etappe 2

Daten:
77,37 km   10,7 km/h   7:11:37 h   61,3 km/h   2132 hm

Orte:
Refuge du Petit Mont Cenis (2110) – Mont-Cenis-Passstraße – Fort de la Turra (2480) – Termignon (1285) – Modane (1055) – le Lavoir – Col du Frejus (2538) – Bardonecchia (1250)

7°C zeigte das Thermometer am nächsten Morgen, das es dabei aber bei Leibe nicht so bleiben sollte wussten wir zu dem Zeitpunkt natürlich noch nicht. Die ersten Meter des Tages führten uns entlang des Ufers des Lac du Mont Cenis. Eine herrliche Stimmung stellte sich ein – niedrig hängende Wolkenfetzen, Murmeltiere fast zum Anfassen nah mit ihren typischen Gepfeife und langsam durchdringende wärmende Sonnenstrahlen. Bei der Auffahrt zum Fort de la Turra begleiteten uns genau 3086 Fliegen – so wurde es wenigstens nicht langweilig. Oben erwartete uns ein spektakuläres Panorama – der Stausee, die Passstraße, der gegenüber liegende Gletscher und die Mauern des alten Forts – einfach grandios. Genauso grandios war auch die Abfahrt nach Termignon. Mit Hochgeschwindigkeit rauscht man auf einer super Piste hinab ins Tal. Im Ort gab es kleine Leckereien beim örtlichen Bäcker und dann ging es auf der Straße hinab nach Modane. Es wurde immer heißer! Bei höchstsommerlichen Temperaturen machten wir uns nach einem kurzen Pizzastopp auf Richtung Val Frejus. Erst kam ein Toaster-, später ein Broilergefühl auf. Von allen Seiten wurden wir in den 14 Kehren ausgiebig geröstet. Daher gönnten wir uns bereits nach nur 500 hm eine weitere (Abkühl-)pause. Bis zum Fort Valois ging es dann noch ordentlich fahrbar weiter, dann zog die Piste aber merklich an. Glücklicherweise war aber alles gerade noch fahrbar. Unterwegs versuchte ich in einem kleinen Häuschen mein Glück etwas zu Trinken zu bekommen. Was sich entwickelte war ein richtig netter Plausch mit einem älteren Ehepaar bei Kaffee und Keksen. Trotz großer Sprachbarriere kam eine nette Unterhaltung zu stande. Die letzten Meter zum Pass Frejus vergingen dann recht schnell. Der folgende Abstieg war aber echt hart. Die ersten 300hm musste man auf einem komplett ausgewaschenen, na nennen wir es mal höflich Weg, zurück legen, dann war es abschnittsweise gerade noch fahrbar. Es machte nur bedingt Spaß und beanspruchte die strapazierte Muskulatur nochmal ordentlich. In Barrichedda angekommen klappte es mit der Quartiersuche nicht wirklich gut. Erst im Hotel Europa wurden wir dann endlich fündig.

alle Attraktionen auf einmal
alle Attraktionen auf einmal
Auffahrt zum Fort de la Turra
Auffahrt zum Fort de la Turra

Etappe 3

Daten:
43,29 km   10,4 km/h   4:09:12 h   63,2 km/h   1610 hm

Orte:
Bardonecchia (1250) – Fort Bramafan (1449) – Punta Colomion (2017) – Passo della Mulattiera (2409) – Plampinet (1500) – Col de l’Echelle (1762) – Bardonecchia (1250)

Einkauf im Supermarkt, Ergattern einer Landkarte und ab geht es auf zum Fort Bramafan. Hier gabs viele und tolle Kanonen zu begutachten. Eine deutsche Armeejacke lockte zum Kauf – sie war aber deutlich zu dick. Wieder knackige Temperaturen und kaum Wolken waren heute zu erwarten und so kam es gerade recht, dass bis zum Punta Colomion der Weg fast vollständig im Schatten der Bäume verlief. Auf der Hütte stärkten wir uns mit ein Paar Paninis und dann kam mein großer Auftritt als Fotograf. Die 400hm bis zum Passo della Mulattiera gingen schnell vorbei – ich träumte dabei vom hiesigen Lotto-Jackpott (immerhin 140 Mio Euro). Den Ausblick auf dem Pass konnte man nicht genießen, was aber nicht nur an den üblichen Heeren von Fliegen lag sondern an extrem stechwütigen Bremsen (oder beißen Bremsen?). Jedenfalls hielt ich es dort oben nicht aus – also Sattelstütze runter, Popo hintern Sattel und ab geht er. Und wie er ging! Auf einem absoluten Sahnetrail ging es technisch nicht gerade anspruchslos hinab ins Tal. Wirklich genial, dass dieser Weg in der Karte als Radweg eingezeichnet ist. Von der falschen Seite möchte ich den nicht befahren. Und so rauschten wir denn hinab und genossen diese Atmosphäre. In Plampinet kehrten wir ein und wunderten uns das wir auf ein Bon Giorno ein Bon jour zurück bekamen. Helden wie wir können nämlich Karten lesen, aber dabei entgehen einem halt schonmal ganz leicht die dicken gestrichelten Linien der Landesgrenzen – tzzzz… Macht nichts; der Salat und das Eis waren lecker und der Schatten tat gut – ebenso das kühle Brunnenwasser. Die Pause zogen wir extrem in die Länge. Heute hatten wir ja nichts auszustehen, es war Ausruhtag. Bei der Auffahrt zum Col de l’Echelle zeigte das Tacho beachtliche 35°C an und so fühlte es sich auch an. Was macht also ein normaler Mensch bei so einem Wetter? Richtig, Picknick. Und so lagen Massen zwischen den Bäumen und spielten Fußball oder tobten über die Wiesen. Der komplette Pass war voller Menschen – ein herrliches Bild. Der Tag endete früh (beim geselligen Bierchen).

kurz vor dem Passo della Mulattiera
kurz vor dem Passo della Mulattiera
hier startet der grandioses Downhill
hier startet der grandioses Downhill

Etappe 4

Daten:
40,78 km   8,2 km/h   4:55:46 h   47,7 km/h   1763 hm

Orte:
Bardonecchia (1250) – Gleise – Forte Foens (2200) – Colle Basset (2595) – Fort Jafferau (2801) – Valfredda (2255) – Rifugio Scarfiotti (2156)

Leider kamen wir am Morgen zeitlich nicht so recht zu Potte. Erst das späte Frühstück und dann das ewige Anstehen in den Schlangen des Supermarktes und Bäckers. Und so kurbelten wir bei schon ordentlichen Temperaturen und, wen überrascht es, in treuer Begleitung unserer Fliegen- und Bremsenfreunde in den Berg. Erst recht leicht rollbar auf Asphalt, später dann schottrig immer bergauf. Vor und hinter dem Forte Foens geht es auf einem herrlichen Höhenweg entlang. Am stark verfallenen Fort futterten wir uns noch ein paar Speckrollen an um es hinauf zum Col Basset so richtig krachen zu lassen. An einer Stelle der Auffahrt hatten wir einen grandiosen Blick auf die Galleria dei Saraceni – ich weiß nicht ob ich dort wirklich durchfahren würde. Ab dem Col Basset bis zum Forte Jafferau hat man einen herrlichen Ausblick auf das Valfredda, hinab nach Bardonecchia und ins Val di Susa. Eigentlich sollte es hier so weit oben, so weit abseits von Städten und Liften, verdammt ruhig sein, aber die Italiener und Franzosen scheinen es zu lieben mit ihren Jeeps und Cross-Motorrädern die Schotterpisten hochzujagen. So sah man schon von weitem (und man hörte es genauso) wo der zukünftige Weg entlang verlaufen würde. Das Fort war ebenfalls schon stark verfallen. Komischerweise legte sich doch tatsächlich so eine Mutti im Bikini zwischen die Mauerreste, so als wenn es das normalste der Welt sein mit dem Moped auf 3000m zu gondeln um sich dann zu bräunen. Uns wars egal, wir vernichteten unsere Essensvorräte. Der Wanderweg ins Valfredda ist mit gemischten Gefühlen verbunden. Hier hieß es abschnittsweise fahren, aber auch oft Schieben. Nach Überfahrt zum Stausse und kurzem Anstieg kamen wir recht zeitig am Rifugio Scarfiotti an. Bei dem Anstieg sammelten unsere Lungen ein ganz paar Kilogramm Staub auf. Hier waren extrem viele Besucher mit ihren motorisierten Vehikeln unterwegs und erzeugten gewaltige Staubwolken. Der Pinatubo hat wahrscheinlich damals die gleichen Staubmassen in die Atmosphäre geschossen. Beim gemütlichen Hüttenabend bekamen wir von unserem Nachbar noch einen selbstgebrannten Schnaps ausgegeben – aber Vorsicht: ist illegal 🙂

die Galleria dei Saraceni
die Galleria dei Saraceni
Essensvernichtung
Essensvernichtung

Etappe 5

Daten:
63,63 km   11,6 km/h   5:28:13 h   62,3 km/h   1633 hm

Orte:
Rifugio Scarfiotti (2156) – Colle Sommeiller (3050) – Rifugio Scarfiotti (2156) – Hotel Jafferau – Bardonecchia (1250) – Chateau – Oulx (1075) – Sauze d’Oulx (1510)

Die Halbpension auf der Hütte war nicht von schlechten Eltern, selbst das Frühstück viel reichlich aus. Wir kamen zeitlich aber richtig gut los, sodass wir den Anfang des Anstiegs zum Sommelier noch gut im Schatten strampeln konnten. Die Höhenmeter purtzelten ganz gut und das wo der Untergrund teilweise recht geröllig war. Nach zwei Stunden Fahrzeit standen wir dann in einer unglaublichen Stille auf über 3000 Metern Höhe. Es war fantastisch. Von dem aufgegebenen Rifugio Ambin fehlte jede Spur – es wurde unlängst von einer Lawine völlig zerstört. Völlig zerstört sieht auch der Gletscher aus. Das was in den Karten eingezeichnet ist und was man dann in Realität vor sich sah, spottete jeder Beschreibung. Die Frische trieb uns alsbald wieder ins Tal. So gleiteten wir hinab zum Stausee und folgten einem Höhenweg bis zur Seilbahn. Kaum einen Höhenmeter verliert man auf disem herrlichen Wegabschnitt. Im Hotel Jafferau gab es ein Paar Verstärkungs-Panninis und lecker Cafe und ab ging es auf die lokale Bikepiste. Die ging richtig ab. Trotz dafür recht mieser Ausrüstung und Gepäckwahl kamen wir ganz gut voran. Im Tal war es heiß – richtig heiß. Und so wurde der kurze Anstieg nach Chateau richtig schweisstreibend. In Oulx buchten wir bei ’ner spaßigen Truppe in der Touristinformation ein Quartier in Sauze d’Oulx und kehrten in der örtlichen Eisdiele ein. In den Abendstunden fuhren wir dann noch hinauf nach Sauze wo uns Massen an Hotels und Touristen erwarteten. Das war das volle Kontrastprogramm zu der Stille von heut morgen. Das Hotel war günstig und mies, das Abendbrot lecker und die Festlichkeiten zu Mariä Himmelfahrt mit all dem Trubel wunderbar anzusehen. Nach einem kurzen Stopp im Pub gings heim.

die Stille des Colle Sommeiller
die Stille des Colle Sommeiller
tausend Kehren zur Scarfiotti
tausend Kehren zur Scarfiotti

Etappe 6

Daten:
54,41 km   12,2 km/h   4:23:30 h   67,2 km/h   1416 hm

Orte:
Sauze d’Oulx (1510) – Monfol – Colle Blegier (2381) – Colle dell‘ Assiette (2472) – Colle Ciantiplagna (2770) – Colle delle Finestre (2176) – Susa (490)

Der Asietta-Grenzkamm stand heute auf dem Programm und so bestand die erste Anstrengung des Tages im Anstieg zum Col Belgier. Der war schnell erfahren mit einer einzigen Unterbrechung durch den Überholvorgang eines wilden Crossbikefahrers. Genießen der Aussicht, vertreiben der restlichen 200 Fliegen und vollstopfen mit lecker Brötchen mit Wurst und Käse. Dann kam die wunderschöne Fahrt auf der Asietta-Kammstraße. Immer wieder ging es hinauf und hinab. Nach und nach hüllte sich der Himmel aber in Wolken. Gespenstisch rissen die Wolkenfetzen mit Höchstgeschwindigkeit an einem vorbei. Immer wieder kam kurz die Sonne und das Tal zum Vorschein, nur um gleich wieder zu verschwinden. Was folgen sollte, war ein ellenlanger Downhill. 2300hm am Stück durften vernichtet werden. Die ersten Meter zum Colle Finestre waren grandios. Einzig das der Vordermann seinen Kollegen ständig in eine gigantische Staubwolke hüllte erfreute nicht wirklich. Der Weg schlängelte sich, wie in die Wand geprägt, hinab. Ab dem Finestre wurde es ruppiger. Da wir mit Vollgas hinab rauschten, kam die Gabel mit dämpfen kein bißchen hinterher. Zu viele Spur- und Querrillen sind da in den Schotter graviert. Es erschien mir unglaublich das wir hier schon einmal hinauf geradelt sind. Später wechselte der Belag aber auf frischesten Asphalt und in tausend und einer Kehre taumelt man in die Gluthölle von Susa. Wir hatten es geschafft – die Tour war ein voller Erfolg. Und so gönnten wir uns am Abend ein gutes Abendbrot und lernten dabei einen netten Bikerkollegen aus Stuttgart kennen, welcher auf eigene Faust die Westalpen erkundete. Da Samstag Abend war, versammelten sich in einem Cafe noch viele Einheimische und Touristen und lauschten den Klängen einer jungen Musikercombo. Wir mischten uns unter das Volk – ganz unauffällig – und ließen die Tour bei ein paar Bier zünftig ausklingen.

auf der Asietta-Kammstraße
auf der Asietta-Kammstraße
löchrige Blicke ins Val di Susa
löchrige Blicke ins Val di Susa

zur Tourenübersicht | oder zur Startseite